Oliver Wnuks Rede als neuer Mentor-Botschafter

Im Rahmen der Abendveranstaltung zur Eröffnung der Mentor-Wochen wurde Oliver Wnuk zum Mentor-Botschafter ernannt. Mit seinen inspirierenden Worten begeisterte er die anwesenden Gäste nachhaltig. Denn seine Rede war weit mehr als eine Dankesansprache; sie war eine tiefgehende Auseinandersetzung mit sich, der jungen Generation und den Chancen der Zukunft.

11 November 2024 | Veranstaltungen

„Ich habe schon einige unvergessliche Momente mit Mentor erleben dürfen und der heutige Abend reiht sich nahtlos in meine Erlebnisse ein und führt mir leicht und spielerisch vor Augen, wie sinnvoll ein Engagement bei Mentor ist.

Allein über Mentor nachzudenken, schärft die Sinne, das Bewusstsein, lässt einen das eigene Wirken im Beruflichen wie Privaten reflektieren.

Ich bin selbst Vater von zwei Kindern und wann immer ich mit ihnen zusammenkomme, bin ich vor allem den Müttern dankbar, aber innerlich klopfe ich auch mir ein wenig auf die Schultern, dass wir es geschafft haben, gute Werte zu vermitteln und aus ihnen empathische, umsichtige und bewusste junge Menschen geworden sind.

Dennoch weiß ich, dass ich immer nur so gut sein kann, wie ich zu dem jeweiligen Zeitpunkt meines Lebens eben bin und dass ich nur das vorleben kann, was ich zu diesem spezifischen Zeitpunkt für richtig halte und was in meinem Lebensrahmen abspielt. Und das ist ein wesentlicher Punkt: Ich darf mich nicht dazu verführen lassen, zu glauben, dass ich Recht habe. Dass mein Blick auf die Welt der einzig richtige ist.

Vielleicht, wenn ich Glück habe, erschließt sich für mich meine Weltsicht und meine Entscheidungen waren für mich und meine Bedürfnisse passend und wertekonform.

Für das Leben meiner Kinder kann mein Ratschlag auch in die völlig falsche Richtung gehen. In jedem Ratschlag steckt eben auch ein Schlag.

Deswegen ist Zuhören das A und O. Mehr in den anderen als in mich hören. Rauszuhören, was deren Bedürfnisse, deren Werte sind, um dann akzeptieren zu können, dass unsere Kinder mit ihrer Leidenschaft vielleicht unseren Rahmen und vielleicht auch zeitweise den Rahmen unseres Verständnisses sprengen – und dass auch das okay sein muss.

Aus der Liebe und der Fürsorge heraus, wurde ich während meiner eigenen Erziehung dazu angehalten, mir stets auch Gedanken über einen Plan B zu machen. Ein Hintertürchen. Einen Ausweg. Einen Notfallplan. Meine Eltern wünschten sich für mich etwas Sicheres, etwas „Anständiges“ mit Beschäftigungsgarantie, 13. Monatsgehalt und Pensionsanspruch. Sie wollten, dass ich sicher bin. Monetär sicher, weil das für ihr Leben wiederum essenziell und für sie den Wert Sicherheit verkörperte. Nachkriegsgeneration. Wiederaufbau. Innen und außen.

Absolut nachvollziehbar.

Plan B – was soll das denn sein, fragte ich mich. Der Inbegriff des Scheiterns? Ein Synonym für mangelndes Durchhaltevermögen?

Zweifelsohne musste ich viel einstecken, um an meinem idealistischen Plan A stur festzuhalten.

Ich wusste, er würde mich vielleicht zwingen, wichtige Momente im Privaten gegen unwichtigere im Beruflichen einzutauschen. Und genau so ist es später auch eingetreten. Und umso älter ich werde, umso mehr bereue ich es.

Damals ahnte ich, dass Plan A Energien einfordern würde, denen ich mich nicht gewachsen fühlen könnte. Ich würde immer wieder fallen, nur um einmal mehr aufzustehen. Enorm anstrengend, aber für mich war keine Alternative denkbar.

Das Gefühl von vermeintlicher Sicherheit, Ruhe und Bequemlichkeit? Sind das die Werte, für die es sich zu leben lohnt?

Viele sagen, für einen gelungenen Plan A brauche man immens viel Glück. Ich sage, es bedarf ein hohes Maß an Disziplin und eine bedingungslose Überzeugung. Denn die, die einem zum Erfolg verhelfen, spüren, ob man es mit seinem Plan A ernst meint, ob man authentisch ist oder eben nicht. Sie sind diejenigen, die einen auf das entscheidende Gleis setzen, welches für Plan A vorgesehen und notwendig ist.

Mit Glück hat Plan A wenig zu tun – aber noch weniger mit dem Glücklichsein.

Plan A macht nämlich nicht glücklich. Auch das muss man den jungen Menschen vermitteln – nur weil ihr euch Erfolg wünscht, vielleicht auch erfolgreich werdet, heißt das noch lange nicht, dass ihr dann smooth durchs Leben schlittert.

Fatalerweise versprechen sich die meisten davon aber Glück, zumindest aber Zufriedenheit. Doch sobald der Erfolg zur Gewohnheit wird, wachen sie auf und stellen fest, dass wahre Erfüllung ausschließlich in sich selbst zu finden ist. Es ist toll, einen jungen Menschen bei der Umsetzung seiner Pläne unterstützen zu dürfen, langfristiger nützlicher ist es jedoch, mit ihm an dessen Selbstwert zu arbeiten. Dem Epizentrum all seiner Ressourcen.

Viele, sehr erfolgreiche Plan-A-Gefährten haben mich menschlich enttäuscht: Vom Narzissmus Durchtriebene mit erstaunlich wenig sozialem Potenzial.

Ist ein Plan A, das Festhalten an seinen Träumen, die Lebensvisualisierung der eigenen Leidenschaften, dennoch erstrebenswert?

Ja, wenn es einem gelingt, die Balance zwischen Ego und Verbundenheit zu halten.

Auf der Liste der Dinge, die die Menschen an ihrem Lebensende am meisten bereuen, steht auf Platz 1: Ich wünschte, ich hätte mir erlaubt, mein Leben mehr nach meinen Vorstellungen zu leben als nach den Vorstellungen der anderen.

Viele behaupten, sie hätten nicht die Möglichkeiten gehabt, ihrem Plan A zu folgen.

Sicher, manchen wird es leichter gemacht, ihre persönlichen Wünsche und Träume zu realisieren; bei anderen ist die Ausgangslage, und vor allem um die kümmert sich die Mentor Stiftung, unübersichtlicher – dennoch wage ich die Behauptung und setze für mich auf den Glaubenssatz: Entweder will man etwas oder man will es nicht. Es gibt keine Entschuldigung.

Egal wo, wann und wie wir leben, die Mehrzahl orientiert sich an Glaubenssätzen, deren Samen in frühester Kindheit gesät wurden. Wie viel von dem, was wir denken, wer wir sind, haben wir tatsächlich selbst aus der Ansammlung unserer Erfahrungen kreiert und für welchen Anteil in uns sind die Erfahrungen unserer Vorfahren verantwortlich?

Was konnten oder mussten sie denn bei ihren Eltern beobachten? Wie gingen sie mit dem Wert „Sicherheit“ um? Wie ausgeprägt war deren Selbstbewusstsein? Sahen sie sich selbst als Helden oder begnügten sie sich mit der Opferrolle? Was von den Erwachsenengesprächen über Geld, Erfolg und Werte blieb in unseren Kinderköpfen hängen? Was davon tragen wir bis heute in unserem Rucksack umher, wofür es einen erheblichen Kraftakt bedarf, sich diesem wieder zu entledigen.

Wann immer ich mit jungen Menschen spreche, halte ich sie an, auf Plan B zu pfeifen.

Es gibt sowieso keine sicheren Jobs mehr: Eine Studie der beiden Oxford-Professoren Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne besagte vor 10 Jahren schon, dass 47 Prozent der Arbeitsplätze in den USA durch die voranschreitende Automatisierung gefährdet sind.

Ich sage, lernt selbstständiges Denken. Werdet Unternehmer. Entwickelt Begeisterung für etwas. Findet Euer Potenzial und füllt es mit Leidenschaft.

Ich sage, bei eurer Geburt seid ihr aus gigantischer Höhe losgeflogen. Ohne Motor, Netz und doppelten Boden. Eines ist sicher: Irgendwann knallt ihr unten auf. Jetzt könnt ihr euch überlegen, ob ihr auf dem Flug hinten in der Holzklasse sitzen, euch im Bordfernsehen die sich immer wiederholenden alten Filme aus der Vergangenheit angucken oder Unheil verheißende Science-Fiction-Streifen aus der Zukunft ansehen wollt – oder aber ihr entscheidet euch für den Platz im Cockpit. Ihr könnt zwar nicht die Maschine vom Kurs abbringen, aber ihr könnt ein paar aufregende, spaßbringende Loopings fliegen.

Wer sich alle Türen offenhält, wird sein Leben auf dem Flur verbringen.

Oder um es mit John D. Rockefellers Worten zu sagen: Habt keine Angst, das Gute aufzugeben, um das Großartige zu erreichen.

Und weil die Selbstentwicklung nie aufhören sollte, man immer für genug Momentum sorgen sollte und jeder Mentor auch stets den eigenen Status, die eigene Neugier überprüfen sollte: Darf ich Sie was fragen? Was Persönliches?

Wie wollen Sie denn noch die nächsten Jahre gestalten? Alles so wie immer oder noch mal ein bisschen Adrenalin in die Venen pumpen?

Fallschirmspringen, eine Platte aufnehmen, einen Swinger Club besuchen, dem Nachbar die Meinung pfeifen, doch endlich den Partner/die Partnerin verlassen, eine Weltreise, eine Woche ganz allein im Tipi Zelt. Oder einfach nur noch ne‘ Million verdienen und sie zu den anderen legen?

Seien auch Sie mutig. Es gibt nur überschaubar wenig Gründe, es nicht zu sein.

Falls mich persönlich einmal ein Schicksalsschlag fest von hinten erwischen würde, dann bliebe mir vielleicht auch nichts anderes übrig, als mir über einen Plan B Gedanken zu machen, aber noch sehe ich mich als Schöpfer meines Lebens und nicht als Manager meiner Lebensumstände.

Und das ist meine Botschaft: Lasst uns jungen Menschen weiterhin Mut machen, gerade in einer Zeit des Wandels, der großen soziokulturellen, geo-politischen, klimatechnischen Verschiebungen und Irritationen, Schöpfer ihres Lebens zu werden und nicht nur Manager ihrer Lebensumstände.

Der demografische Wandel, die Scheinwelten der Digitalisierung – so viele Stolpersteine, die nicht nur jungen Menschen Kopfzerbrechen bereiten können. Unsere Generationen haben sich damals geschworen, niemals alt werden zu wollen, heute sorgt sich die Jugend um ihre Rente und die Inflation.

Deren Träume, deren Leidenschaft und deren Potenzial brauchen Raum und dieser scheint nur noch mit immer mehr Aufwand freizuschaufeln zu sein. Es benötigt einen stabilen Selbstwert, um sich in der heutigen Lebensrealität gänzlich entfalten zu können.

Die Jugend wird uns für ein wenig Starthilfe danken – und ohne uns zu überschätzen, ohne übergriffig zu werden, macht es so viel Sinn, sich für sie ansprechbar zu zeigen und selbstreflektiert und sanft in eine mögliche Richtung zu weisen.

So verstehe ich Mentor.

Herzlichen Dank.“