Susanne Hübschle im Gespräch: „Kannst du mir mal zeigen, was du machst?“

Susanne Hübschle ist Familiencoach und glaubt an die Macht der Sprache. Neben Reflexion und Achtsamkeit geht es ihr um gute Kommunikation. Bei der Mentor Stiftung gibt sie Eltern in Vorträgen und Workshops Tipps und Tricks für den Umgang mit Jugendlichen. Die sind gefragt, denn die Pubertät ist für viele Familien eine Zeit voller Konflikte.

12 September 2024 | Interview

„Bei jungen Menschen kommt die Pubertät heutzutage immer früher – und mit ihr Spannungen“, beobachtet Familiencoach Susanne Hübschle. Bei Konflikten seien die Eltern schnell gestresst und überfordert. „Es gibt oft hohe Erwartungshaltungen – und zugleich eine gewisse Betriebsblindheit gegenüber dem Umgang mit dem eigenen Kind“, erklärt Susanne Hübschle. Was man bei anderen als Kleinigkeit, lösbare Differenz und nachvollziehbares Bedürfnis erkenne, würde in der eigenen Familie schnell zum großen Problem. „Die Pubertät ist für viele Mütter und Väter eine Zeit des Schreckens“, sagt sie und ist zugleich überzeugt: „Das muss nicht so sein“. Familien funktionieren sehr unterschiedlich, stellt Susanne Hübschle klar. Richtige Erziehung – den einen, richtigen Weg – gibt es also nicht. Wie man einen guten Weg für sich selbst findet, könne man allerdings lernen, zum Beispiel bei der Mentor Stiftung.

Alltagstaugliche Angebote für Eltern

Die Mentor Stiftung möchte junge Menschen in unterschiedlichen Formaten inspirieren, motivieren und unterstützen, ihren eigenen Lebensweg zu finden. „Die Eltern sind hierfür entscheidend. Darum wollen wir sie mit kostenfreien Vorträgen und Workshops im Umgang mit ihren Kindern unterstützen“, sagt Matthias Ehret, Geschäftsführer der Mentor Stiftung. Susanne Hübschle konzipiert und realisiert diese Angebote.

Seit 2020 hält sie beispielsweise die Workshopreihe „Überlebenstipps für Eltern mit Teenies“ ─ pandemiebedingt zunächst online, inzwischen auch in Präsenz. Ein Durchgang besteht aus sechs 90-minütigen Terminen. Wer macht mit? Im Schnitt nehmen 50 Personen teil, viele davon sind Paare, der Männer- und Frauenanteil ist in etwa gleich hoch: ein Querschnitt der Elternschaft. In den Workshops setzt Susanne Hübschle auf Erfahrungsaustausch und Kleingruppenarbeit. Es geht ihr darum, ein Bewusstsein für das Familienleben zu entwickeln und den achtsamen Umgang zu üben. Am Anfang seien die Teilnehmenden zurückhaltend, doch sie merkten schnell, dass andere Eltern vor ähnlichen Problemen stehen. Und Susanne Hübschle macht ihnen Mut: „Unterstützung zu suchen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Verantwortung“.

Einen lockeren und unverbindlicheren Einstieg bieten Susanne Hübschles Vorträge. Jeder hat einen klaren Aufhänger, z. B. „Digitale Pubertät – Ein neues Zeitalter, Konfliktmanagement mit heranwachsenden Kindern“. Ein Vortrag dauert max. 90 Minuten. Dabei besteht immer die Möglichkeit, Fragen zum jeweiligen Thema zu stellen.

Der Umgang mit Medien

Dem Thema Mediennutzung begegnet Susanne Hübschle immer wieder. „Meine Kinder daddeln stundenlange am Handy, anstatt was Vernünftiges mit ihrer Zeit anzufangen“ ─ so oder so ähnlich äußern sich viele Eltern. Doch damit ist sie nicht einverstanden: „Das Medienverhalten der Kinder sollte man nicht per se verteufeln“. Das Wichtigste sei, hier im Gespräch zu bleiben, Interesse zu zeigen und nachzufragen: „Kannst du mir mal zeigen, was du machst?“ Da komme es dann schon mal zu Überraschungen. Susanne Hübschle erinnert sich zum Beispiel an ein Ehepaar, das ganz baff feststellte, dass der Sohn auf dem Smartphone Musik komponierte.

„Unsere Welt ist heute eben analog und digital“, erklärt Susanne Hübschle. Eine Trennung in zwei Sphären mache kaum Sinn. Vielmehr gehe es in der Familie darum, einen gemeinsamen Umgang mit Medien zu finden. Dazu gehöre dann auch, zuzugestehen, dass die jugendlichen Digital Natives oft kompetenter sind als ihre Eltern. Mit dieser Einstellung wird aus einem Konfliktfeld ein Begegnungsraum zwischen Eltern und Kind.

Oft helfe es Eltern auch, sich zu fragen: Was habe ich denn in dem Alter gemacht? Da merke man schnell, dass Rückzugsräume, Pausen und Auszeiten ganz wichtig waren, meint Susanne Hübschle. Jugendliche brauchen Raum und Zeit für sich – analog und digital.

Für Eltern gibt es im Umgang mit Jugendlichen also viel zu lernen. Wie kommt da das Angebot der Mentor Stiftung an? Susanne Hübschle freut sich: „Die Eltern sind dankbar“. Das gelernte Wissen sei alltagstauglich und umsetzbar.

So bleiben Sie in Verbindung

So gelingt vielen der wichtige erste Schritt: Man hört nicht auf, miteinander zu reden. Man bleibt in Verbindung. Verständnis und Reflexion für Susanne Hübschle die Basis für gute Familienbeziehungen in der Pubertät – und danach. Und wie schafft man das ganz konkret? „In Krisenmomenten erst mal für Entspannung sorgen, das Tempo rausnehmen. Eltern müssen nicht auf jede Forderung, jeden Vorwurf und jede Laune sofort reagieren“, findet Susanne Hübschle. Eltern sollten sich die Zeit zum Nachdenken und Beratschlagen nehmen. Und ganz wichtig: Ablehnung und Angriffe der Kinder nicht zu persönlich nehmen und gelassen reagieren.

Noch ein Praxistipp zum Schluss? „Aufhören ‚aber‘ zu sagen“, erklärt Susanne Hübschle: „Das verbraucht nur Energie und verneint alles, was vorher kam“. Klingt schlüssig. Aber ob‘s funktioniert? Das muss jede Familie selbst herausfinden.

Als Mutter und Pädagogin weiß Susanne Hübschle, dass Kinder Verständnis, Freiräume und Unterstützung brauchen ─ gerade in der Pubertät. Als Erzieherin baute sie die Kita Urisberg in Konstanz mit auf und leitete die Einrichtung drei Jahre bis zur Geburt ihres ersten Sohnes. Nebenbei hat sie sich weitergebildet: erst zur systemischen Familienaufstellung, dann als NLP-Coach. „Da habe ich gemerkt, dass ich gut zuhören, vermitteln und Brücken bauen kann“, erinnert sich Susanne Hübschle. Nach 15 Jahren Kita machte sie sich deshalb 2013 als Familiencoach selbstständig und arbeitet inzwischen vor allem mit Eltern. Seit 2016 bringt sie ihre Expertise bei der Mentor Stiftung mit ein.